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The sixth sense
Als sechsten Sinn bezeichnen wir Menschen gerne Empfindungen, die nicht mit unseren bekannten Sinnen erfasst werden. Es sind so genannte Psi-Phänomene, darüber gibt es zahlreiche Geschichten und Romane und Filme natürlich auch. Psi meint den griechischen Buchstaben und deutet den Begriff Psyche an, also die Seele oder den Geist.
Bevor Menschen jetzt allerdings von diesem sechsten Sinn unbedingt Gebrauch machen müssen, um zum Beispiel von jemandem etwas vermittelt zu bekommen, gibt es ein anderes Phänomen, das sich mit der Zeit ergeben hat, nämlich die Sprache. Das hat durchaus Vorteile und ist für alle erlernbar, mehr oder weniger. Auch Tiere haben ihre Sprachen, das ist bekannt und erwiesen, sie wiehern, röhren, bellen und singen zum Beispiel. Nur können sie halt nicht ganze Geschichten erzählen, wie es ihnen geht oder ob sie gut gegessen haben. Das Röhren zum Beispiel ist ein untrügliches Zeichen für Paarungsbereitschaft, ob es hier Nuancen gibt, ist unbekannt, und ob eine Hirschkuh mit Kopfweh ungedeckt davon kommt, auch.
Bei Hunden ist das lustige Ritual zu beobachten, dass sie sich bei erstmaligem oder vielleicht auch bei häufigeren Treffen erst einmal gegenseitig den Riechkolben in den Hintern stecken, weil dort ganz schön viel erzählt wird. Erkannt und entziffert werden diese Geschichten, die sich um den Schließmuskel ranken, mit dem Jacobson-Organ, das befindet sich in der Nase. Damit können Hunde erraten, wie es dem anderen Hund geht, was er gefressen hat, ob er sich im Krankenstand befindet und vieles mehr. Das Geschlecht wird natürlich auch auf diesem Weg erkannt, wobei die Kronjuwelen bei fast keinem Tier deutlicher durch die Gegend getragen werden als bei Hunden, diese Frage klärt sich optisch. Manche Hundebesitzer finden diese Schnüffelei gar nicht adrett und versuchen dann mit heftigem Ziehen an der Leine, dass sich Hunde nicht allzu gut kennenlernen auf solch merkwürdige Weise. Vielleicht weil sie eifersüchtig sind und immer nur ein und dieselbe Geschichte des letzten Verdauungstraktabschnitts ihres Vierbeiners mit Gummihandschuhen in ein Sackerl füllen dürfen und wegwerfen und nicht den blassesten Schimmer haben, welch großartige Tiergeschichten ihnen täglich durch die Finger rinnen.
Wir Menschen haben auch Anlagen zu diesem Jacobsonschen Organ, es bildet sich aber noch vor der Geburt zurück. Da scheint sich die Sprache also zu Ungunsten dieses Geruchsfrontspoilers durchgesetzt zu haben, möchte man meinen. Es gibt aber offensichtlich Ausnahmen, manche scheinen das Organ zu haben. Wir wissen, dass olfaktorische Kriterien in der Partnersuche bei Menschen ausschlaggebend sind, wofür haben wir denn die Nase auch. Allerdings wird nicht viel mehr aus einer Begegnung werden, wenn die Personen durch eine sprachliche Auseinandersetzung feststellen, dass ihre Interessengebiete diametral entgegengesetzt liegen, da helfen auch keine künstlichen Duftstoffe. Ich würde das auf alle Fälle als großen Vorteil der Sprache beurteilen, weil da doch dem einen oder anderen Missverständnis vorgebeugt werden kann.
Dass in einer bestimmten Gruppe von Menschen nun durch eigene vorsichtige Andeutungen das postfetale Vorhandensein dieses Organs, das auch vomeronasales Organ genannt wird, vermutet werden darf, wird durch hinlänglich bekannte sprachliche Defizite erhärtet, Holprigkeiten ist hier wohl nicht der richtige Ausdruck. Jedenfalls formulierte kürzlich jemand nach einem Treffen und gar einer gemeinsamen Pressekonferenz mit jemand anderem folgenden Satz: „Wir beschnuppern uns gerade, bis dato riecht es sehr gut.“ Was sich nun hinter den Kulissen dieser Pressekonferenz genau abgespielt hat, ist nicht bekannt und kann nur vermutet werden. Es ist davon auszugehen, dass die Geschlechter erkannt wurden, bei der vom Urheber des oben zitierten Satzes beschnüffelten Person handelt es sich namentlich schon eindeutig um eine Frau, aber darum dürfte es gar nicht gegangen sein. Wenn nun die jeweiligen Interessengemeinschaften der beiden olfaktorischen Testpiloten nebeneinander gestellt werden, verwundert eine gewisse Grundsympathie füreinander nicht wirklich, die jeweiligen Inhalte, Ziele, die vielen guten Ideen und das Programm insgesamt finden Platz auf einer Briefmarke. Wie sich diese deutsche Fraktion rhetorisch bewegt, entzieht sich meiner Kenntnis, weil es bisher vermeidbar war, diese Kenntnis zu erlangen, einzelne Kommentare und Statements genügen, um sich ein grobes Bild machen zu können. Beim hiesigen Protagonisten dieser duften Geschichte ist es hinlänglich bekannt, zu welch rhetorischen Großtaten er fähig ist, da gibt es kein Entrinnen.
Alles hat seinen Preis, könnte man meinen. Bekanntlich tasten blinde Menschen wesentlich besser als sehende, wahrscheinlich riechen sie auch besser, Defizite müssen kompensiert werden. Wenn bei verbal-sprachlichen Defiziten Dinge nicht in Worten verstanden werden können, müssen sie eben errochen werden, wenn man das so nennen kann. Die Geschichten, die in diesem Aufeinandertreffen angeweht werden, sind schwerlich in Worte zu fassen, aber offensichtlich von guter Qualität, riecht es doch laut eigenen Angaben „bis dato sehr gut.“ Es hat auch eine hübsche Symbolik, nimmt man die schöne Floskel zur Hand von einem Treffen auf Augenhöhe. Auf welchem Niveau die Geruchsebene sich befindet, um die Witterung aufzunehmen, die vom Heckspoiler ausgeht, ist ungeklärt, und wenn ich richtig verstanden habe, nehmen, zumindest bei Hunden, die Geschichten am Ende des Verdauungsweges Gestalt an, der Mundgeruch erzählt gar nichts. Rein inhaltlich können hier nur Vermutungen angestellt werden.
Schließlich und endlich kommen viele Gemeinsamkeiten zutage, Gemeinsamkeiten von den beiden sich beschnuppernden politischen Fraktionen und den Stammtieren der hundeartigen Tiere, nämlich den Wölfen. Sie leben in Rudeln, und diese Rudel bewohnen Reviere, von denen andere Rudel tunlichst ferngehalten werden, dass kommt bekannt vor. Überhaupt fühlen sie sich im Rudel sehr wohl, alleine sind sie kaum anzutreffen. Gehen sie auf die Jagd, hilft ihnen ihr scharfer Geruchsinn, sie erschnüffeln also auch ihre Jause. Sprechen sie vor großen Menschenmengen, erinnern die Geschichten, die von Angst, Verlust und der Gemeinheit anderer Rudel oft handeln, an das Bellen von Hunden. Der Humor, der manchmal vergeblich bemüht wird, deutet auf einen nicht sehr ausgefeilten, um nicht zu sagen rudimentären Verbalsprachgebrauch hin. Die Geschichten beißen sehr oft die Mitglieder von anderen Rudeln, die sie als Feind erschnüffeln, während die Wahrnehmung von Kritik an sich selbst von sagenhafter Wehleidigkeit geprägt ist, sie teilen ganz viel aus und sind ganz schwach im Nehmen, das hat aber eben möglicherweise mit diesem Jacobsonschen Organ zu tun, das anderen Sinnen nicht in vollem Umfang ihre Entwicklung gönnt.
Das Psi-Phänomen also. Seele oder Geist werden hier allerdings weniger angesprochen, eher Instinkte. Wie hoch die Instinkte sind, die hier in Bewegung gesetzt werden, soll jeder selbst einschätzen. Zu hoffen bleibt, dass sich ein paar Überlegungen, diese schnüffelnden Fraktionen als Notlösung wieder in irgendwelche bundesweiten Regierungen zu hieven, von selbst erledigen, weil die Gespräche, Vorhaben und die Arbeit an sich mit jeweiligen Partnern wieder einmal stockt. Was schon ein Kunststück bedeutet, ist die Arbeit doch nie wirklich in die Gänge gekommen. Jedenfalls wäre es um dieses Land wirklich nicht gut bestellt, würde es einen weiteren Versuch geben, mit dieser Abteilung eine Regierung zu versuchen, wir hatten das, und wir erinnern uns daran, dass das Land richtig attraktiv wurde. Viele sind offenbar noch immer nicht in der Lage zu verstehen, wofür diese Fraktion, Hand in Hand mit ein paar anderen Hinternschnüfflern in Europa, steht. Der Präsidentschaftskandidat der Konservativen fühlte sich beim Schnuppern offensichtlich wohl, meint man doch heute noch einen der richtigen Schnüffler zu hören, wenn er spricht. Zu wünschen wäre allen, ausnahmslos, die ernsthaft diese Überlegungen hegen, zumindest einen rudimentären Rest von diesem Jacobsonschen Organ in ihren Nasen. Vielleicht würden sie dann wahrnehmen, welche tatsächlichen Duftnoten hier die reaktionären Körperöffnungen verlassen.
Bildrechte: (c) Walter Schaidinger
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[Kolumne/Walter Schaidinger/16.03.2016]
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